Rückblick Hattingen hat Haltung 2021

Auch in diesem Jahr hat die Aktions- und Gedenkwoche Hattingen hat Haltung stattgefunden:

Begonnen hat die Gedenkwoche mit einer Auftaktveranstaltung inkl. Der Ausstellungseröffnung „Ausgrenzung aus der Volksgemeinschaft – Homosexuellenverfolgung in der NS-Zeit“. Die Ausstellung des Kulturrings Berlin thematisiert die systematische Strafverfolgung und Schikanierung von Homosexuellen während der NS-Zeit. Politisches Ziel der Nationalsozialisten war es, den „Volkskörper“ von „homosexueller Verseuchung“ zu „reinigen“. Die Schautafeln wurden für Hattingen als Open-Air-Ausstellung konzipiert und waren zwischen Untermarkt und Krämersdorf zu sehen. Die Ausstellungseröffnung erfolgte durch die Erste Beigeordnete Christine Freynik und Stadtarchivar Thomas Weiß, der in einer kurzen Einführung den Bezug zur Hattinger Geschichte herstellte. Der Hattinger Pianist Lutz Deterra begleitete das Programm mit bekannten Stücken aus den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts.

 

 

Der zweite Tag der Aktionswoche stand ganz im Sinne der 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland: „Ich hatte einst ein schönes Vaterland“ – mit diesem Zitat Heinrich Heines beginnt das Gedicht „Im Exil“ von Mascha Kaléko. Die jüdische Dichterin, die 1938 vor den Nationalsozialisten in die USA floh, thematisierte in diesem, wie in vielen weiteren Texten ihr Heimweh nach Deutschland. Gemeinsam mit ihrem Geistesverwandten Heinrich Heine ist sie Namensgeberin des literarischen Kammermusikabends zum Jubiläum 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, der einen Ausschnitt der reichen deutsch-jüdischen Kulturgeschichte gibt. Der bekannte Film- und Theaterschauspieler Roman Knižka las aus Texten jüdischer Autor*innen in deutscher Sprache von Ludwig Börne über Mascha Kaléko bis hin zu Hanna Arendt. Das Bläserquintett Ensemble Opus 45 rahmte das literarische Programm mit bedeutenden Werken jüdischer Komponisten wie Felix Mendelssohn-Bartholdy, Jacques Ibert und anderen ein.

 

 

Ein weiterer wichtiger Bestandteil von Hattingen hat Haltung ist der alternative Stadtrundgang „Hattingen im Nationalsozialismus“. Das Aktionsbündnis Buntes Hattingen gegen Rechts hatte zu einer anschaulichen Spurensuche der „braunen“ Vergangenheit Hattingens eingeladen. Anhand von Zeitdokumentationen zeigten die Initiatoren an unterschiedlichen Orten wie sich alltäglicher Rassismus und Faschismus bereits in den 1920er Jahren in Hattingen entwickeln konnte und wie Hattinger*innen zu Mitlaufenden, Befürwortenden, Wegbereitenden und Täter*innen des Nationalsozialismus werden konnten. Beispielhaft wurden aber auch mutige Hattinger*innen vorgestellt und gewürdigt, die sich dem Aufstieg des Naziregimes entgegenstellten.

Zur Erinnerung an die Geschehnisse der Reichsprogromnacht wurde im Rahmen einer Stolpersteinputzaktion an die Hattinger Opfer des Holocaust gedacht. Am Morgen des 09. Novembers starteten Schüler*innen vor der Gesamtschule Hattingen, um die Stolpersteine in Blankenstein und Welper zu putzen. Die Aktion wurde mit der Führung „Spuren der NS-Herrschaft in Blankenstein/ Welper“ des Stadtarchivars verknüpft. Im Anschluss wurde die Aktion vor dem Bügeleisenhaus fortgeführt. Am Abend traf sich die Hattinger Stadtgesellschaft vor dem Rathaus, um gemeinsam mit Kerzen des Gedenkens durch die Fußgängerzone zum Synagogenplatz zu gehen. Dort erfolgte die Kranzniederlegung für die Hattinger Opfer der Reichprogromnacht.

 

 

Am Mittwoch, den 10. November, lud die Lebenshilfe Hattingen gemeinsam mit der Integrationsagentur Hattingen und der Jüdischen Gemeinde Bochum, Herne, Hattingen zu einem sinnlichen Gedankenaustausch über Spiritualität und Religion ein. Dieser informative Abend hatte in leichter Sprache Einblicke in verschiedene Religionen und Weltanschauungen gegeben, mit dem Fokus darauf, was die jeweils Gläubigen miteinander verbindet. Durch Gegenstände aus verschiedenen Religionsgemeinschaften kamen die Teilnehmer ins Gespräch, aber vor allem auch über das, was uns verbindet, um so mögliche Vorurteile abzubauen.

 

 

Einen Tag später war Niklas Frank zu Besuch in der Stadtbibliothek Hattingen. Niklas Frank ist der Sohn von Hans Frank, dem sogenannten „Schlächter von Polen“. Hans Frank war promovierter Jurist und zählte zum Führungskader der Nationalsozialisten. 1939 wurde er als Stellvertreter Hitlers zum Generalgouverneur ernannt. Nach seiner Verhaftung durch die Amerikaner wurde Hans Frank 1946 für seine Kriegsverbrechen bei den Nürnberger Prozessen zum Tod durch Erhängen verurteilt. Sein Sohn, Niklas Frank, hat seine Erinnerungen an seine Kindheit und die Beziehung zu seinem Vater in dem intensiven und provokanten Buch „Der Vater. Eine Abrechnung“ verarbeitet, aus dem er in der Stadtbibliothek einige Passagen las. Im Anschluss fand ein moderiertes Gespräch mit Niklas Frank und dem Publikum statt.

 

 

Einen Tag später besuchte Niklas Frank das Gymnasium Waldstraße, wo Schüler*innen seiner Biografie hören konnten. Vor dieser Lesung in der Schule traf die Initiative Ein KICK für Hattingen Niklas Frank zu einem Interview, welches Sie hier finden:

https://www.youtube.com/watch?v=uZu6XS79smQ&t=5s

 

 

Am Samstag, den 13. November, durften sich die Hattinger Bürger*innen über die Ausstellung „Wie meine Hoffnung überlebt hat“ in der Stadtbibliothek freuen. Elf Frauen verschiedener Generationen, Nationalitäten und kultureller oder religiöser Herkunft, die im Leben flüchten mussten, erzählen in dieser Ausstellung ihre Geschichte.

 

 

Auch der Abschlusstag der Aktions- und Gedenkwoche hielt einige Veranstaltungen bereit: Nach einem gemeinsamen Gottesdienst der Evangelischen und Katholischen Kirchengemeinde Hattingen zum Volkstrauertag, fand die zentrale Gedenkveranstaltung unter des VDK Hattingen, der Feuerwehr Hattingen sowie Schüler*innen der Gesamtschule Hattingen statt.Im Anschluss an die Gedenkfeier baten Stadtarchivar Thomas Weiß, Lars Friedrich von Hattingen zu Fuss und Benedikt Weiß einen geschichtsträchtigen Stadtrundgang durch das „zerstörte Hattingen“ nach den Bombenangriffen im März 1945 an.Als letzte Veranstaltung der Gedenkwoche hatten die Glaubensgemeinschaften des Interreligiösen Gesprächskreises Hattingen zum gemeinsamen Friedensgebet in die Mauritius Gemeinde in Niederwenigern eingeladen.

 

 

Wir bedanken uns bei alles Akteur*innen und hoffen, dass die Veranstaltungswoche für alle Interessenten abwechslungsreich und informativ war.

 

Programmheft. Hattingen hat Haltung 2021